Deutschland – wie auch Europa – hat sich ambitionierte Energiewendeziele gesetzt, die auf Basis eines wettbewerblichen Energiemarkts erreicht werden sollen. Bezüglich der Frage des Marktdesigns befindet sich Europa mit dem sogenannten Winterpaket sowie Deutschland mit dem „Energy-Only-Markt“ (EOM) 2.0 (plus verschiedene Reserven) weiterhin in einem Diskussions- und Anpassungsprozess. Daher ist es zweckmäßig sich anzuschauen, wie andere Energiemärkte strukturiert sind und diese funktionieren. Die USA können dabei auf eine langjährige Erfahrung zurückblicken. Da sie im Vergleich zu Deutschland zudem Ähnlichkeiten, aber auch fundamentale Unterschiede bezüglich des Energiemarktdesigns aufweisen, bietet sich ein Blick über den Atlantik geradezu an.

Mehr Vielfalt als gedacht

Die Verantwortung der Energiepolitik ist in den USA grundsätzlich bei den einzelnen Bundesstaaten angesiedelt. Nur für vereinzelte Bereiche wie Nuklearprogramme, Energieforschung und übergreifenden Handel gibt es starke föderale Politiken. Energiepolitische Ziele, die Strukturierung des Markts und die Regulierung werden traditionell sowohl von den Bundesstaaten bestimmt als auch ausgeführt.

Die Aussicht auf eine Kostensenkung durch wettbewerbliche Märkte führte in den 1990er-Jahren in etlichen US-Bundesstaaten zu einer Trennung der Wertschöpfungsstufen und einer Liberalisierung des Erzeugungsmarktes. Die kalifornische Energiekrise in den Jahren 2000 und 2001, bei der der Bundesstaat von Marktmanipulation und in dessen Folge von großflächigen Blackouts betroffen war, mündete in eine politische sowie in eine Schuldenkrise Kaliforniens. In anderen Bundesstaaten führte diese Beobachtung zu einer Beibehaltung des regulierten und integrierten Energiemonopols. Andere  Bundesstaaten änderten ihre Ziele und holten die Liberalisierung (teilweise) zurück. Als Folge dessen sind heute in den USA Energiemärkte unterschiedlichster Ausprägung zu finden, mit vielfältigen Regulierungsansätzen und unterschiedlichen Wettbewerbsstufen.

Wettbewerbliche Märkte

Wenn in den USA der Grundsatz des wettbewerblichen Marktes im Strombereich verfolgt wird, dann jedoch immer mit dem Ansatz, dass das Netz und dessen Betrieb die neutrale Plattform für den Markt darstellt. Hierfür geben – im Gegensatz zu Deutschland – die Netzeigentümer die Betriebshoheit an einen Dritten ab, den „Independent System Operator“ (ISO). Dieser liefert allen Marktteilnehmern Informationen, gewährt den Marktzugang, organisiert den physischen Stromhandel und führt auf Basis dieser Ergebnisse und der bestehenden Netzsituation eine zentrale Kraftwerkseinsatzplanung oder „Dispatch“ durch. Dies ist der wesentliche weitere Unterschied zum europäischen/deutschen Ansatz. Hier wird auch der physische Handel auf einer separaten Handelsplattform (z. B. Börse) abgewickelt, bei dem Netzengpässe keine Rolle spielen. Der Ausgleich zwischen Erzeugung und Nachfrage erfolgt dezentral, das heißt in den Portfolien der einzelnen Marktteilnehmer, die sich wiederum gegenüber dem Marktpreis optimieren. In den USA führt der ISO die Netzsituation mit den Erzeugungs- und Nachfrageoptionen zusammen, sodass sich damit zeitlich und lokal differenzierte Preise oder ein Locational Marginal Pricing herausbilden können. Während lokale Differenzen in Deutschland hoheitlich ausgeglichen und die dabei anfallenden Kosten sozialisiert werden, werden diese in den USA hingegen als marktlicher Treiber für Investitionen genutzt.

Kooperationen der Bundesstaaten

Trotz der heterogenen Strommarktpolitik gibt es vielfältige Kooperationen der einzelnen Bundesstaaten, da dies Kostenersparnisse für alle Beteiligten mit sich bringen kann. Der Zusammenschluss der ISO ist daher oft bundesstaatenübergreifend – wie bei PJM, ISO New England oder Midcontinent Independent System Operator (MISO) – und unterliegt damit den Regeln des nationalen Regulierers, der Federal Energy Regulatory Commission (FERC). Eine Kooperation auf einer niedrigeren institutionellen Basis wird derzeit vom kalifornischen Systembetreiber CAISO über den Energy Imbalance Market erfolgreich propagiert. Dabei wird es den regulierten Unternehmen der Nachbarbundesstaaten ermöglicht, einen kostenoptimalen, kurzfristigen Stromaustausch über den physischen Handel zu erreichen, ohne jedoch damit übergreifende Investitionsanreize zu geben.

Vergleich mit Deutschland

Ein Vergleich der US-Strommärkte mit den Strommärkten Deutschlands ist nicht einfach. Selbst wenn der Großhandelsmarkt in den USA wettbewerblich ausgestaltet ist, heißt das noch nicht, dass dies auch für den Endkundenmarkt gilt. Zudem haben die US-Märkte neben dem EOM – zu dem auch die Regelleistungen gehören – einen zusätzlichen, separaten Kapazitätsmarkt eingeführt als auch häufig angepasst. Der einzige Bundesstaat, der auf eine Kapazitätsentlohnung außerhalb des EOM verzichtet, ist Texas. Daraus lässt sich schlussfolgern, dass der texanische Markt, der Electric Reliability Council of Texas (ERCOT), mit den deutschen Gegebenheiten die meisten Gemeinsamkeiten aufweist.

Dieser Blog basiert auf den Studien von adelphi und RAP zum Überblick über die US Strommärkte und der Zusammenarbeit von Kalifornien mit seinen Nachbarstaaten Die Studien wurden im Rahmen des Vorhabens „Unterstützung des Energiedialoges mit den Vereinigten Staaten von Amerika (USA) und dem US-Bundesstaat Kalifornien sowie die Unterstützung der bilateralen Energiebeziehungen mit Kanada, Australien und Neuseeland“ im Auftrag des Bundesamtes für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) und auf Anfrage des Referats IIA1 des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie (BMWi) erstellt.

Weitere Studien in der Serie:

Überblick über die Energieeffizienzpolitik in den USA;

Stromausfälle in South Australia 2016 und 2017;

Überblick über die australische Energiepolitik.