Die Ereignisse am Strommarkt in Texas im Februar 2021 waren ein traumatisches Ereignis. Jedoch kann man eine Wiederholung verhindern, wenn man die Ursachen kennt. Wir wollen die wichtigsten Aspekte hervorheben.

So führten die Winterstürme zu Bedingungen, die möglicherweise seit 100 Jahren nicht mehr erreicht wurden. Ausnahmesituationen im US-amerikanischen Stromnetz sind in den letzten 25 Jahren allerdings mehrfach aufgetreten. Gemeinsam war ihnen, dass sie von Wetterereignissen ausgingen, von denen viele besser vorhersehbar waren als die jüngste Kaltfront.

Infolge der Tiefsttemperaturen kletterte die texanische Stromnachfrage am 14. und 15.2 2021 auf einen Spitzenwert von über 74 GW – verglichen mit einem „normalen“ Winter-Spitzenwert von etwa 55 GW. Das “extreme” Planungsszenario des texanischen Systembetreibers ERCOT ging von 67,2 GW aus. 74 GW sind also bis vor kurzem „unvorstellbar“ im Winter gewesen – aber sie sind typisch für die Lastspitzen in den Sommermonaten, die von ERCOT zuverlässig bedient werden. Entsprechend meldeten die Stromnetzagenturen (einschließlich der North American Electric Reliability Corporation – vergleichbar mit ACER) vor der Wintersaison 2020/2021 eine ausreichende Menge an verfügbaren Erzeugungskapazitäten, um den “extremen” Planungsfall ERCOTs von 67,2 GW zu bedienen. Das Problem: Auch ein Großteil dieser geplanten Erzeugungskapazitäten war in der aktuellen Spitzenlastsituation nicht verfügbar.

Warum? Der Ausfall von Erzeugungskapazitäten ist vielleicht der sichtbarste und dennoch am häufigsten falsch dargestellte Aspekt der texanischen Strommarkttragödie. Die relevante Ausgangsbasis ist der Versorgungssicherheitsplan, den ERCOT entwickelt hatte. Windkapazitäten machten nur einen kleinen Teil dieses Plans aus (2 GW im “extremen” Szenario), und obwohl einige eingefrorene Windturbinen ein Problem darstellten, betrug der tatsächliche Fehlbetrag gegenüber dem Planwert im Durchschnitt nur etwa 2-3 GW. Zudem übertraf die tatsächliche Winderzeugung das “extreme Ausfalls”-Szenario von ERCOT in allen bis auf wenige Stunden. Insofern waren die Ereignisse Ausfällen der vermeintlich zuverlässigen fossilen Kraftwerke geschuldet. Der ERCOT-Ressourcenplan enthielt etwa 74 GW thermische Erzeugung (57,7 GW im “extremen” Szenario); am 15.2 waren jedoch nur etwa 42 GW verfügbar. Die Kohleerzeugung lag bei 60% der geplanten Kapazität. Einer der vier Kernkraftwerke des Bundesstaates ging nach wenigen Stunden vom Netz, wahrscheinlich aufgrund eines unzureichenden Frostschutzes. Gaskraftwerke machten 55 GW der geplanten Ressourcen aus, aber nur 31 GW waren am 15.2 verfügbar (dieser Rückgang wäre in Deutschland damit vergleichbar, wenn sämtliche Gaskraftwerke auf einmal ausfallen würden). Gaskraftwerke waren für 80% des Fehlbetrags verantwortlich.

Unklar ist, wie viel der Nichtverfügbarkeit der Gaserzeugung auf das Einfrieren der Anlagen und wie viel auf Probleme bei der Brennstoffversorgung zurückzuführen ist. Die nordamerikanische Gasproduktion fiel während des Wintersturms um 21% und die Produktion in Texas um 45%, und das zu einer Zeit, in der die Gaslieferungen an Endkunden am 14. und 15.2 einen Rekord aufstellten. Die Bohrlöcher, Pipelines und Aufbereitungsanlagen an der Golfküste und im Westen von Texas, die wesentlichen Lieferquellen für texanische Gaskraftwerke, sind auf solche klimatischen Bedingungen nicht vorbereitet und wenig reguliert.

Neben den Stromausfällen, der Kälte in ihren Häusern und dem menschlichen Leid, das viele Menschen in und außerhalb von Texas ertragen mussten, gab es auch starke finanzielle Auswirkungen. Berichte über Einzelfälle, die mit unglaublich hohen Stromrechnungen konfrontiert wurden, waren häufig, aber die meisten texanischen Verbraucher sind durch längerfristige Lieferverträge abgesichert. Vielmehr werden die Auswirkungen auf viele Stromversorger katastrophal sein, auch könnten einige Erzeuger vor dem Ruin stehen. Versorger, die ihre vertraglichen Lieferverpflichtungen teilweise oder alleinig durch Käufe am Kurzfristmarkt abdecken mussten, haben aufgrund der extrem hohen Strombörsenpreise binnen weniger Tage Millionen-Verluste erlitten.

Welche Lehren müssen gezogen werden?

Sicherlich nicht, dass ERCOT einen Kapazitätsmarkt braucht. Wie bereits der Fall des PJM-Markts (im Osten der USA) während des Polarwirbels 2014 gezeigt hat, hätte ein Kapazitätsmarkt dies ebenso wenig vorhersehen können wie die derzeitigen Regelungen in Texas. Warum? Ein Kapazitätsmarkt kann zwar Lastabschaltungen unter einem Planungswert halten, würde aber Extremsituationen wie in Texas, also das gemeinsame Auftreten von überdurchschnittlich hohen Kraftwerksausfällen und unerwartet hohen Spitzenlasten nicht abdecken. ERCOTs Ziel-Reservemarge von 13,75% hat ausgereicht, um vergleichbare Sommerspitzen von 74 GW zuverlässig zu bedienen. Eine falsche Lehre wäre auch, dass erneuerbare Energien das Problem waren – die Variabilität von Windkraft war in den Versorgungssicherheitsstrategien realistisch eingeplant.

Auf Basis der Ereignisse wollen wir abschließend, über Texas hinausgehend, mehrere Empfehlungen abgegeben:

  1. Texas rangiert unter den US-Bundesstaaten auf Platz 29 bei der Energieeffizienz. Hohe Energieeffizienzstandards und effiziente Heizsysteme können sowohl den Energiebedarf bei Extremereignissen als auch die Geschwindigkeit, mit der Häuser unbewohnbar werden, reduzieren.
  2. Texas kann Erfolge bei der Mobilisierung flexibler Nachfrage vorzeigen. Diese trägt in den Sommermonaten wesentlich zur Versorgungssicherheit bei. Aber das extreme Winterwetter offenbarte die Begrenztheit eines Großteils der flexiblen Nachfrage (Klimaanlagen!) auf ein knappes Angebot bei kalten Temperaturen zu reagieren. Es sollte also nicht nur mehr flexible Sommer- sondern auch mehr flexible Winternachfrage ermöglicht werden.
  3. Der ERCOT-Markt ist darauf ausgelegt, gesicherte Reserven durch einen administrativen Knappheitspreismechanismus (die sogenannte ORDC) zu bezahlen. Dieser Mechanismus zeigt eine hohe Effektivität bei der Mobilisierung von Maßnahmen und Investitionen, um extremen Lastbedingungen zu begegnen. Doch ab einem bestimmten Punkt sind die angebots- und nachfrageseitigen Maßnahmen, die durch Knappheitspreise gefördert werden sollen, weitgehend erschöpft. Ab dann ist der Knappheitspreismechanismus nur noch schmerzhaft für die Versorger, ohne dass am Markt kurzfristig mehr Leistung zur Verfügung gestellt werden kann. Ein „Schutzschalter“ wie in Australien könnte die Funktionalität der ORDC erhalten und gleichzeitig ungewollte Folgen, wie sie in Texas vorgekommen sind, vermeiden.
  4. Genauso wie Kapazitätsmärkte auf eine genaue Bilanzierung zuverlässiger Kapazitäten angewiesen sind, gilt dies auch für den ERCOT-ORDC-Mechanismus; Regulierungsbehörden müssen klare Standards festlegen, was als zuverlässige Kapazität gilt (wie in diesem Vorschlag von NERC). Zudem sollten die Grenzen umsichtiger Versorgungssicherheitsplanungen erweitert werden, um die Auswirkungen des Klimawandels einzubeziehen.
  5. Unterm Strich handelte es sich in Texas um eine Ausnahmesituation, in der viele unerwartete Faktoren zusammenspielten. Dafür sind Strommärkte – egal welchen Designs, ob liberalisiert oder nicht, ob mit Kapazitätsmarkt oder ohne – in der Regel nicht ausgelegt. Eine kosteneffiziente Zusatzabsicherung über die in Texas implementierte ORDC hinaus kann mittels einer großzügigeren strategischen Reserve erreicht werden. Das Überdimensionieren eines markweiten Kapazitätsmechanismus wäre keine kosteneffiziente Lösung.
  6. Die hohe Abhängigkeit von der Gaserzeugung in Stromsystemen wie in Texas erfordert entweder eine stärkere Regulierung der vorgelagerten Gasindustrie oder eine Diversifizierung durch Maßnahmen wie Dual-Fuel-Fähigkeit der Kraftwerke mit Flüssigbrennstofflagerung vor Ort.
  7. ERCOT ist elektrisch vom US-amerikanischen Stromnetz isoliert. Auch wenn tendenziell gleichzeitige Höchstbelastungen in benachbarten Netzen die Frage aufwerfen, wie hilfreich eine stärkere Integration gewesen wäre, sollten die Vorteile einer stärkeren Verknüpfung mit den östlichen und westlichen Verbundnetzen der USA untersucht werden. So profitiert das europäische Stromverbundsystem sehr stark von geographischen Ausgleichseffekten. Im Hinblick auf den Einsatz von Windenergie können durch Marktintegration von Ländern mit grundlegend unterschiedlichen Wetterregimen starke Vorteile durch einen geringeren Flexibilitätsbedarf und eine höhere Versorgungssicherheit erzielt werden.

Eine Version dieses Artikels erschien in Euractiv.

Dr. Christian Redl ist Projektleiter European Energy Cooperation und Philipp Litz Projektleiter bei Agora Energiewende.

Image: Ralph Lauer, U.S. Environmental Protection Agency.