Wenn die Elektromobilität in Deutschland ein Erfolg werden soll, muss ihre Einbindung ins Stromnetz von Anfang an mitgedacht werden. Bisher fehle ein schlüssiger Ansatz dazu.

Alle reden vom Hochlauf der Elektromobilität. Bis 2025 sollen zwei bis drei Millionen elektrisch betriebene Fahrzeuge in Deutschland zugelassen sein. Geladen werden sollen sie daheim, am Arbeitsplatz, an halböffentlichen oder an öffentlichen Schnellladepunkten. Damit die Infrastruktur steht, wenn die Fahrzeuge in Masse kommen, wird die Aufstellung von Ladepunkten gerade üppig gefördert.

Doch nicht nur Quantität zählt für den Markthochlauf der Elektromobilität, auch die kostengünstige Einbindung der E-Autos in die Stromnetze muss von Beginn an mitgedacht werden. Ein Hindernis für die Entstehung kostengünstiger Ladelösungen sind im Moment die hohen Netzkosten für den Betrieb der Ladepunkte.

Anbieter stehen vor der Herausforderung, trotz hoher Betriebskosten bei noch geringen Nutzungsraten rentabel werden zu müssen. Dass das Laden dabei für die Endkunden teuer werden kann, zeigt die jüngste Entwicklung der Preise für das Schnellladen an Autobahnen. Notwendig für den Erfolg der Elektromobilität ist daher auch eine Reform der Netzentgelte, die den Betriebskosten der Ladeinfrastruktur zugrunde liegen.

Noch nimmt kein Ansatz die Verbraucher ernst

Bei den privaten Ladepunkten wird meist der unattraktive und unflexible Haushaltstarif genutzt. Zwar bietet das Energiewirtschaftsgesetz E-Fahrzeugen als „steuerbare Verbrauchseinrichtungen“ Nachlässe bei den Netzentgelten. Der veraltete Paragraf 14a des Energiewirtschaftsgesetzes lässt aber Kostenoptimierung durch preisbestimmtes und kundenorientiertes „Smart Charging“ völlig außer Acht. Diese Einsparungen bieten daher nur einen mäßigen Anreiz für die Kunden und werden kaum zur Systemoptimierung beitragen.

Sollten die derzeitigen Überlegungen tatsächlich zu den sogenannten bedingten und unbedingten Bestellleistungen umgesetzt werden, wird die Situation nicht wirklich besser. Denn falls Haushalte – insbesondere solche mit Elektroautos – zukünftig ihre Netzanschlusskapazität nach unbedingter und unterbrechbarer Leistung bestellen müssen, damit die Verteilnetzbetreiber ein Instrument zur Glättung der Spitzenlasten haben, wird das heimische Laden komplizierter. Ob oder für wen dadurch Kosten sinken, steht zudem noch infrage.

Was fehlt, ist ein kostenoptimaler und systemdienlicher Ansatz, der die Ansprüche der Verbraucher an Flexibilität in der Nutzung sowie an Kosten- und Datentransparenz ernst nimmt. Die Verbraucher haben erkannt, dass sie einen Beitrag für ein solches kostenoptimiertes System liefern können und fordern daher eine entsprechende zeitvariable Bepreisung, von der auch sie profitieren können.

E-Auto-Laden an weitere Geschäftsmodelle koppeln

Beim sogenannten halböffentlichen Laden, also an öffentlich zugänglichen Ladepunkten auf privatem Grund, sind Kunden auf die Nutzung der Flächen und Netzanschlüsse des Supermarktes, des Parkhausbetreibers und des Arbeitgebers angewiesen. Das ermöglicht günstige Ladelösungen: Die Kosten des Stromnetzes sind hier beherrschbar, da private Betreiber ohnehin bestehende Netzkosten beispielsweise durch Lademanagement optimieren können, indem sie die Flexibilität des Ladens über längere Standzeiten nutzen.

Das Laden von E-Fahrzeugen kann auch durch Kopplung an weitere Produkte optimiert werden, zum Beispiel an die Kosten des Parkens an sich, an den Arbeitslohn oder Einkäufe. Entsprechend entwickeln sich in diesem Bereich bereits einige private Business-Konzepte. Um darüber hinaus allen E-Autofahrern uneingeschränktes Laden zu ermöglichen, ist es allerdings wichtig, auch ein öffentliches Laden ohne gekoppelte Produkte zu realisieren.

Tatsächlich ist das öffentliche Laden jedoch wirtschaftlich schwierig darstellbar, insbesondere wenn es um das Schnellladen mit hohen Leistungen geht. Aus Sicht der Betreiber liegt der ökonomische Vorteil des Schnellladens darin, dass die Kosten für die flächendeckende Infrastruktur des Laternenparker-Ladens begrenzt werden können. Für private Schnelllader, und insbesondere für den stark wachsenden Ridesharing- und Ridepooling-Markt, braucht es eine verlässliche Anzahl von schnellen Ladepunkten mit attraktiven und transparenten Preisstrukturen, die dennoch die Kosten des Netzes widerspiegeln sollen.

Davon sind wir jedoch weit entfernt. Netznutzungsentgelte für sogenannte leistungsgemessene Abnahmestellen – zum Beispiel eine Schnellladestation – werden heute maßgeblich über den Leistungspreis abgerechnet. Da es sich dabei im Regelfall um die jährlich auftretende Spitzenleistung handelt, ist diese unabhängig davon, ob ein Fahrzeug oder 10.000 Fahrzeuge geladen werden. Die so entstehenden Fixkosten liegen je nach Verteilnetz in der Mittelspannung, in der die Schnellladestationen meist angeschlossen werden, bei einer Ladeleistung von 350 Kilowatt zwischen 1.500 und 13.000 (!) Euro im Jahr, zuzüglich Kosten für die Messung von 300 bis 400 Euro.

Netzpreisstruktur behindert wirtschaftlichen Ladesäulenbetrieb

Hohe Kosten durch die Netzentgelte gibt es dabei insbesondere in den ländlichen Netzen. Offensichtlich spiegeln diese sich auch in den Tarifen kommerzieller Schnellladeanbieter wider: Die Kosten betragen bis 80 Cent pro Kilowattstunde. Zum Teil liegen sie sogar über den heutigen Benzinpreisen. Nur wenn von Beginn an tausende Ladevorgänge pro Jahr an jeder „Tankstelle“erfolgen, lässt sich ein geringerer Netzpreis darstellen.

Anders ausgedrückt: Die aktuelle Netzpreisstruktur wird einen wirtschaftlichen Betrieb der Ladesäulen – eine Schlüsselbedingung für den Markthochlauf der Elektromobilität – eher behindern als fördern. Und das insbesondere auf dem Land, wo Menschen in der Regel stärker auf das (E-)Auto angewiesen sind. Frappierend daran ist, dass diese Preisstruktur nicht der Kostenstruktur der Netze entspricht. Engpässe in den Netzen treten punktuell und zeitlich begrenzt auf. Nur wenn damit ein Netzausbau notwendig wird, sind diese Kosten berechtigt. In der ganz überwiegenden Anzahl der Stunden des Jahres ist dies jedoch nicht der Fall.

Ohne angepasste Netzentgelte, die attraktive Schnellladestationen und -tarife ermöglichen, wird sich das Laden mittelfristig auf halböffentliche und private Ladepunkte konzentrieren. Mit der Folge, dass sich der Hochlauf der Elektromobilität erschwert und der Investitionsbedarf steigt.

Kalifornien und Dänemark gehen voran

Das aus der aktuellen Struktur der Netzentgelte resultierende Problem besteht jedoch nicht nur hierzulande. Die Regulierungsbehörden in den USA (Kalifornien) und ebenso in Dänemark haben den Handlungsbedarf erkannt und überarbeiten die Preisstruktur der Netzentgelte. Mit neuen, zeitvariablen Netztarifen fördert Dänemark gezielt die kostengünstige Einbindung der Elektromobilität in die Stromnetze und erleichtert den Aufbau einer rentablen Ladeinfrastruktur.

In beiden Ländern setzt man verstärkt auf die Finanzierung der Netzkosten durch Arbeitspreise, also Kosten für die entnommene Energiemenge, die zeitlich differenziert wird. Da die Knappheiten insbesondere am Abend, vor allem im Winter, auftreten, sind dann wesentlich höhere Netzbeiträge zu entrichten, die übrigen Stunden aber deutlich günstiger zu nutzen.

Für den Aufbau der Elektromobilität in Deutschland bedeutet das, über ein bloßes „Mehr“ an Ladepunkten hinaus zu denken, um ihren Betrieb wirtschaftlich und die Nutzung für Kunden attraktiv zu machen. Dazu gehört eine schnelle Reform der Netzentgeltstrukturen, um den Markthochlauf nicht ohne Grund zu verteuern oder sogar zu behindern. Sonst werden sich Verbraucher kaum für die Elektromobilität begeistern.

Eine Version dieses Artikels erschien in Tagesspiegel BACKGROUND.